Die letzte große Reise
Ganz oft werde ich gefragt: " Wie kommst du denn auf die Idee, als Hospizbegleiterin unterwegs sein zu wollen. Gibt es da nicht schönere, erfreulichere Aufgaben?"
Ich finde meine Aufgabe gar nicht so bedrückend, wichtig ist nur darauf zu achten nicht nur noch an die zu Begleitende Person zu denken und in Trübsal zu versinken. Die Aufgabe führt mir vielmehr vor Augen auf was im Leben wirklich ankommt und worauf ich meinen Fokus richte. Mehr auf die, oftmals eigenen erschaffenen, Sorgen, Ängste, Nöte oder mehr auf die positiven Begebenheiten, Begegnungen, Situationen während unserer Lebenszeit.
Für die Betroffenen ist es nicht leicht, mit der neuen Situation umzugehen. Die Möglichkeiten selbst für sein Wohlbefinden zu sorgen werden immer weniger. Der Körper kann nicht mehr so wie man gerne möchte und dazu kommen noch die vielen Fragen, warum ich, warum jetzt, ich wollte doch noch, warum habe ich nie, jetzt geht es nicht mehr, hätte ich doch. Das sind aber auch Fragen, die man sich selbst immer wieder einmal stellen sollte, solange sich uns noch alle Möglichkeiten bieten, die das Leben für jeden einzelnen von uns bereithält.
Offen bleiben
Vorhersagen, was mich bei meinem nächsten Besuch erwartet, kann ich nie. Völlig Erwartungslos muss ich ich mich immer wieder auf neue Situationen einlassen können. Offen bleiben für das was im Moment ist und für das was die Person gerade am dringendsten braucht. Ganz am Ende der Tage spürte ich bei den Menschen, die sich auf Ihrer letzten Reise befinden, eine tiefe Ruhe, Frieden und Vertrauen auf das was kommt. Auch diese Eigenschaften, Ruhe, Vertrauen und in Frieden sein, mit dem wer man ist und was ist, kann uns einigen Sorgen und Ängste im Leben ersparen.
Begegnung - Verbindung - Abschied
Das erste mal, wenn zu einer Person gehe, der ich auf ihren letzten Weg ein wenig zur Seite stehen darf, bin ich natürlich etwas nervös. Wem begegne ich, wer wartet auf mich, was erwartet mich, trotzdem muss ich absolut frei von Bewertung sein. Meine Aufgabe ist nur, zu 100% da zu sein, den Menschen mit seinen Ängsten und Nöten zu würdigen und ernst zu nehmen. So entsteht oft eine sehr tiefe, wertschätzende Verbindung. Der bewertende Verstand spielt immer weniger Rolle, dafür wird mehr auf das Herz gehört. Am Ende kommt für beide Seiten der Abschied, doch es war beiden Seiten bewusst. Wenn ich komme, weiß der Mensch das es seine letzten Tage sind und ich weiß es gibt bei diesen Begegnungen kein Happy End im herkömmlichen Sinne gibt. und viele fragen mich: „Wie kannst du nur freiwillig jemanden auf seiner letzten großen Reise begleitenden? Da ist doch Trauer vorprogrammiert. Warum machst du dir damit das Leben nur unnötig schwerer als es eh schon ist."
Ja, auch ich bin traurig von einem lieb gewonnenen Menschen Abschied zu nehmen. Mein Abschied wird aber nicht von familiären Bindungen und Strukturen überschattet. Kummer und Schuld fallen weg. Kein festhalten, um noch etwas gut zu machen. Vielmehr hat mir dieser Mensch gezeigt, was im Leben wirklich wichtig ist und meist ist es wesentlich weniger wie wir vermuten.
Dankbar sein
Ich bin unendlich dankbar
- dafür, Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten zu dürfen
- dafür das mir soviel Vertrauen geschenkt wird
- dafür das mir immer wieder gezeigt wird, was iwirklich wichtig im Leben ist
- dafür das es wenig Sinn macht, Wünsche, Träume, Pläne auf später zu verschieben
Meist kommt es ganz anders als erwartet, und dann könnte es vielleicht zu spät sein.
Es gibt etwas, was wir nie genug üben können,
unser Dasein in tiefer Demut und Dankbarkeit würdigen.
Liebevolle Grüße,
Petra
PS.: Hast du auch Erfahrungen mit Menschen die dir so viel für dein Leben mitgegeben haben, obwohl es für sie keine Perspektive mehr auf dieser Seite der Welt mehr gab und du bist Ihnen dafür unendlich dankbar?
Hinterlasse mir gerne in den Kommentaren oder ganz persönlich hier deine Erfahrungen.
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